Praxishandbuch Alltagsbegleitung - Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen im Alltag begleiten und entlasten

Praxishandbuch Alltagsbegleitung - Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen im Alltag begleiten und entlasten

von: Sylke Werner

Hogrefe AG, 2015

ISBN: 9783456754970

Sprache: Deutsch

289 Seiten, Download: 6296 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Praxishandbuch Alltagsbegleitung - Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen im Alltag begleiten und entlasten



1. Was bedeutet «Alltagsbegleitung»?


Aufgrund von demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen, psychischen Erkrankungen oder auch körperlichen Beeinträchtigungen können Menschen in ihrer Alltagskompetenz auf Dauer erheblich eingeschränkt sein. Sie benötigen Unterstützung und Begleitung im Alltag.

In diesem Kapitel werden die wesentlichen Wohnformen von Menschen, die im Alltag Begleitung benötigen, beschrieben. Viele Menschen leben trotz Einschränkungen zu Hause und werden ambulant betreut bzw. begleitet. Ein Teil, besonders ältere Menschen, leben in Pflegeeinrichtungen oder Wohngemeinschaften. Ein ganz wichtiger Aspekt in der Alltagsbegleitung ist eine Begleitung nach dem sogenannten Normalitätsprinzip.

1.1 Wohnformen


Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz haben bezüglich der Wohnform im Allgemeinen die gleichen Bedürfnisse wie Menschen ohne Beeinträchtigungen.

Viele Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen bzw. Behinderungen haben den Wunsch, in einer eigenen Wohnung zu leben. Die Wohnverhältnisse haben großen Einfluss auf die Zufriedenheit und das Wohlbefinden, besonders bei Menschen, deren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Wohnen bedeutet Beständigkeit, Vertrautheit, Sicherheit und Schutz, Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstdarstellung sowie das Bedürfnis nach Rückzugsmöglichkeiten. (Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin, o. J.)

Pflegebedürftigkeit und Behinderung sind oft mit Einschränkungen des Bewegungs- und Handlungsspielraumes verbunden und es müssen technische und personelle Hilfen zur Bewältigung des Alltags zur Verfügung gestellt werden.

Grundsätzlich können Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz z.B.

  • in einer eigenen Wohnung
  • in einem Heim
  • in betreuten Einzelwohnungen
  • in betreuten Wohngemeinschaften oder
  • in Wohnstätten

leben.

Heime, Wohngemeinschaften sowie betreute Einzelwohnungen verfügen heutzutage jeweils über eine dem Betreuungs- und Pflegebedarf angepasste Versorgungsstruktur.

1.1.1 Leben zu Hause


Jeder Mensch wünscht sich wohl, bis zu seinem Lebensende selbstständig zu Hause zu leben. Das Zuhause bedeutet Geborgenheit und Sicherheit. Jeder gestaltet es sich nach seinem eigenen Geschmack, damit er sich wohlfühlt. Grundsätzlich haben Menschen mit Beeinträchtigungen in der Alltagskompetenz auch das Recht, selbst über ihr Leben und ihre Wohnform zu entscheiden. Sie können selbst bestimmen, wo und mit wem sie leben möchten. Auch ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen wollen z.B. so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden leben. Dabei sollte die Wohnung ihren Bedürfnissen angepasst sein. Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz benötigen ein besonderes Wohnumfeld, das ihren Einschränkungen entspricht und so gestaltet ist, dass sie selbstständig im Alltag agieren können. (s. Abb. 1-1)

Abbildung 1-1 Leben zu Hause (Foto: Peggy England)

Bezüglich der Alltagsgestaltung neigen die meisten Menschen dazu, ihre Verhaltens- und Erlebnisstile, die sie in ihrer Biographie aufgebaut und entwickelt haben, auch bei eingeschränkter Alltagskompetenz möglichst beizubehalten.

«Der Alltag ist das Selbstverständliche, das Nichtbesondere. Gewohnheiten und Routinehandlungen machen den Alltag aus.» (Tschan, 2010: 19)

Verschiedene Erkrankungen und Behinderungen können auf vielfältige Weise den Lebensalltag von Menschen und deren Beziehungs- und Interaktionsfähigkeit zu ihrer sozialen Umwelt beeinflussen. Körperliche und geistige Behinderungen können zu dauerhaften Beeinträchtigungen im Alltagsleben führen. Dies wirkt sich auch auf die Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung zu Hause und die Lebensqualität aus. Aber auch diese Menschen möchten am Leben teilhaben und ihren Alltag so lange wie möglich selbst gestalten.

In vielen Fällen sind es pflegende Angehörige, die sich um die Betroffenen kümmern, sie soweit wie nur möglich in den häuslichen Alltag einbeziehen und ein Leben zu Hause ermöglichen. Es gibt aber mittlerweile auch unterschiedliche Unterstützungsangebote, die ein Leben mit eingeschränkter Alltagskompetenz zu Hause ermöglichen. Beispielsweise können Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz und bestätigtem Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen gem. § 45b SGB XI Unterstützung im Rahmen einer «Alltagsbegleitung» erhalten.

1.1.2 Leben im Heim


Für pflegebedürftige Menschen bzw. Menschen mit einer Behinderung, die auf ein Betreuungs- bzw. Pflegeangebot rund um die Uhr angewiesen sind, stehen Heime zur Verfügung. Das Heimangebot kann auch von Menschen mit Behinderung in Anspruch genommen werden, die entweder tagsüber einer Arbeit oder einer Beschäftigung nachgehen, beispielsweise in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, oder auf eine sonstige Tagesstrukturierung angewiesen sind. (Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin, o. J.)

Auch wenn ein Leben im Heim für viele Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz nicht erstrebenswert ist, kommt diese Form manchmal als einzige Alternative in Betracht.

Es gibt z.B.:

  • Wohnheime für Behinderte, die tagsüber in Werkstätten für Behinderte beschäftigt sind
  • Wohnheime mit integriertem Beschäftigungsangebot
  • Wohnheime mit gesteigertem ganztägigen Pflegeangebot
  • Mischformen
  • Pflegeheime.

Menschen, die schwer pflegebedürftig bzw. unter starken körperlichen und/oder geistigen Behinderungen leiden und auch mit ambulanter Unterstützung nicht zu einer selbständigen Lebensführung in der Lage sind, werden in Heimen voll versorgt (Unterkunft, Verpflegung, Wäsche usw.). Hier erhalten sie die erforderliche Anleitung, Unterstützung und Hilfe für die Verrichtungen des täglichen Lebens. Sie werden gepflegt und/oder beaufsichtigt, bekommen notwendige Therapien und erhalten Hilfe bei individueller oder gemeinsamer Freizeitgestaltung und Beschäftigung. Das Ziel solcher Einrichtungen ist es, eine möglichst familienähnliche Atmosphäre zu schaffen.

Das sogenannte «Trainingsheim» ist z.B. eine Sonderform, in dem Menschen mit einer Behinderung in zwei bis drei Jahren gezielt auf ein selbstständigeres Leben in einer Wohngemeinschaft vorbereitet werden.

1.1.3 Beispiele für sonstige Lebens- und Wohnformen


Betreutes Einzelwohnen

Die betreute Einzelwohnung stellt für ältere Menschen und Menschen mit einer Behinderung die der Normalität am stärksten nahekommende Wohnform dar.

Das betreute Einzelwohnen kommt zum einen für Personen in Betracht, die in hohem Maße selbstständig leben können, und zum anderen für diejenigen, für die das Leben in einer Wohngemeinschaft nicht geeignet ist und alleine leben möchten.

Die Wohnungen sind an die speziellen Bedürfnisse älterer Menschen und Menschen mit Behinderung angepasst. So können sie möglichst selbstständig wohnen und sind nicht oder nur wenig auf fremde Hilfe angewiesen.

Menschen mit Behinderung können im Rahmen des betreuten Einzelwohnens von Assistenten unterstützt werden. Die Assistenz findet an mehreren Tagen in der Woche statt und wird individuell auf den Tagesablauf des Bewohners abgestimmt. Diese Hilfeform setzt ein gewisses Maß an Eigenständigkeit des Bewohners voraus. Die vom pädagogischen Fachpersonal geleistete Assistenz erfolgt überwiegend im Bereich organisatorischer Belange im Alltag, im Umgang mit Behörden sowie in der Freizeitgestaltung. Ziel der Assistenz ist eine Stärkung der Selbstständigkeit sowie die Integration des Bewohners in sein Wohnumfeld.

Betreute Wohngemeinschaften (WG) («Geschütztes Wohnen»)

Für diese Wohnform werden normale Miethäuser genutzt, sodass ein Kontakt zwischen Menschen mit einer Behinderung und Menschen ohne Behinderung möglich ist. Sie ist geeignet für Menschen mit geistigen, körperlichen oder mehrfachen Behinderungen, die keine Pflege und Betreuung rund um die Uhr benötigen. Selbstständigkeit und soziale Kontakte sollen gefördert werden. Das eigene Zimmer richtet sich jeder Bewohner nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen mit Hilfe seiner Assistenten oder seiner Angehörigen ein. Jede Wohnung hat Gemeinschaftsräume, eine Küche und sanitäre Einrichtungen. Mit entsprechender Assistenz beteiligen sich die Bewohner an allen hauswirtschaftlichen Arbeiten. Pädagogisches Personal unterstützt sie auch bei Freizeitaktivitäten und Reisen.

Wohnstätten

Wohnstätten für Menschen mit Behinderung verfügen meist über ein Haus bzw. mehrere Häuser, die speziell auf die Bedürfnisse der dort lebenden Menschen ausgerichtet sind. In den Wohnstätten wird eine individuelle Unterstützung geboten, die sich an den Interessen und den Fähigkeiten des Einzelnen orientiert.

Mit Hilfe eines Bezugsbetreuer-Systems für jeden Bewohner wird zudem die persönliche und kontinuierliche Begleitung sichergestellt.

Im Rahmen der pädagogischen Förderung werden unter Berücksichtigung des individuellen Entwicklungsstandes jedes einzelnen Bewohners im lebenspraktischen, sozialen, emotionalen, psychomotorischen, kognitiven und sensitiven Bereich Beratung, Anleitung oder Assistenz angeboten. Ziel ist es, lebenspraktische Fähigkeiten zu vermitteln bzw. deren Erhalt und Festigung gemeinsam...

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