Die Kunst, stilvoll älter zu werden - Erfahrungen aus der Vintage-Zone

Die Kunst, stilvoll älter zu werden - Erfahrungen aus der Vintage-Zone

von: Susanne Mayer

Berlin Verlag, 2016

ISBN: 9783827078780

Sprache: Deutsch

224 Seiten, Download: 926 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Die Kunst, stilvoll älter zu werden - Erfahrungen aus der Vintage-Zone



KOLLISIONEN

Neulich musste ich sehr lachen, Altern wird so obsessiv! In der Zeitung wurde eine Schauspielerin zum Thema Altern befragt, Überschrift: »Anfang 30«, sie sagte: »Ich bin froh um meine Sommersprossen, weil man meine Falten nicht so sieht!« Meine Falten? Anfang dreißig? Ich wollte gar nicht weiterlesen. Tat es leider doch. Ich las, die Frau ginge jetzt früher ins Bett und sehe morgens trotzdem zerknittert aus. Ich dachte: Liebes! Komm zum Frühstück, dann siehst du meine!

Da stand etwas von einem 26-jährigen Markus, der klagte, er bringe es einfach nicht fertig, sich von seinen Teenie-T-Shirts zu trennen, ja, warum – aus »latenter Angst vor dem Alter«. Im Ernst? Und Ronja von Rönne. Die Autorin ist so jung, dass die Feuilletons sie mit Jahreszahl nennen, wie: »Ronja von Rönne, 23«. Die frische Jungautorin, die auch schon mal als »wohlstandsverwahrlostes Schulmädchen« rüberkommt, las auf einem Literaturwettbewerb einen Text, der vor Alterspanik schon selber Falten warf: »Ich denke daran, wie ich mit meinem Vater auf einem Konzert im Olympiastadion war, und dann denke ich daran, dass mein Vater altern und sterben wird und dass ich das miterleben werde, und ich muss auch sterben, und überhaupt alle, und dann ruft Grönemeyer Bochum, ich komm aus dir, und ich fange an zu schluchzen …«

Was geht ab? – jung gefragt. Es scheint einen hysterischen Rutsch in Richtung Altern zu geben. Womöglich ist es ja so, dass in einer demographisch entgleisenden Gesellschaft, wo der Trend zu immer mehr alten Leuten geht, nun schon die Jugend überrollt wird von dem Alterstsunami und – trendig, wie sie ist, die Jugend – auf den Trend aufspringt und mit den alten Alten jetzt ums Altsein wetteifert.

Brillante Idee. Hätte man selber draufkommen sollen, also früher. Im Alter bella figura zu machen ist natürlich erheblich einfacher, weil man gar nicht alt ist, sondern noch jung und formvollendet. Es besteht leider ein wenig die Gefahr, dass die jungen Alten die echten Alten im Altsein abhängen. Auf Style-Blogs schütteln Jungmodels provozierend ihre grau gefärbten Haare. Girlies stratzen auf Instagram in neuen Omablüschen herum. Embrace your granny! Wer wirklich altert, dem wird natürlich oft ein wenig klamm bei dem Thema.

Der Mann einer Freundin wurde fünfzig, und sie erzählte, er wolle das nicht feiern, offensichtlich ein Fall von echter Alterspanik. Sie regte an, ich möge ihn anrufen und ein wenig aufmuntern. Ich also rufe an, und er sagt pampig: »Und? Wie war dein Fünfzigster?«

Ich wähnte mich zum Zeitpunkt dieses Telefonats Jahrzehnte von fünfzig entfernt. Ich machte darauf aufmerksam, dass ich just over forty liege, und fand Gelegenheit einzuflechten, dass einer meiner Ex in seiner Mail zu meinem vierzigsten Geburtstag geschrieben hatte: »Du bist der Neid aller Vierzigjährigen.« Das war sehr nett von ihm, wenn auch meine Nachfolgerin natürlich zehn Jahre jünger ist als ich, Neufrauen haben meiner Erfahrung nach ein konstantes Alter von zehnjahrejünger. Als ich dann fünfzig wurde, brauchte ich zwei Jahre, um mich dem Fakt zu stellen. Ich feierte meinen fünfzigsten Geburtstag mit 52 Jahren.

Als meine beste Freundin sechzig wurde, fuhr sie mit ihren Lieben nach Wien, weit weg von diesem Sechzigsten. Am Tag des Geburtstags stand ein junger Mann in der Straßenbahn auf und bot ihr seinen Platz an, noch nie hatte ein junger Mann oder irgendein anderer Mensch ihr einen Platz angeboten. Ein schwarzer Tag. Ich hörte es nur von ihrer Tochter, meine Freundin selbst wollte darüber gar nicht reden.

Als ich selber sechzig geworden war, passierte etwas, was ich schon hatte kommen sehen. Mir wurde harsch beschieden, wie klapprig ich jetzt sei. Quasi Schrott. Die Situation war, dass ich, von rechts kommend, links abbiegen wollte – und fast mit einem Auto kollidierte, das mit Schwung aus dieser Nebenstraße auf die Kreuzung rauschte. Hätte mich fast gerammt. Sah aber toll aus, es handelte sich um ein tief geschnittenes, lang gezogenes Cabrio in der Tönung »Pistazie«. Am Steuer saß ein Gunter-Sachs-Verschnitt (der schnittige Gunter, auch schon tot, kennt ihn noch einer?). Der Typ hatte jedenfalls zu langes, zu fettiges Haar und trug dazu ein zu weit aufgeknöpftes Hemd, er brüllte: »Du dumme alte Fotze, du dürftest doch gar nicht mehr fahren, wieso hast du deinen Führerschein nicht längst abgegeben?«

Ein Hass-Ejakulativ! Premiere! Mein erstes Age-Ba-shing. Es stellten sich folgende Fragen: Wir kannten uns gar nicht, wieso also duzte mich der Kerl? Woher so viel Häme gegenüber einer Lady, deren Baujahr dem seiner Karre ähnlich war – ich war so vintage wie sein Cabrio, für das er offensichtlich tief in die Tasche gegriffen hatte. Und dumm? Für Sie immer noch Dr. phil., Sie Arsch. Als er Anstalten machte, sein Auto zu verlassen, winkte ich ein »Heute nicht, Süßer« und gab Gas.

Offene Worte. Sind beim Thema Aging ja selten. Mein Coach sagt in aller therapeutischen Vorsicht, ich sehe »altersangemessen prima aus«. Das sagt auch mein Orthopäde, wenn wir über mein knirschendes Knie sprechen. Wenn ich meinen Friseur auf meine silbrigen Strähnen hinweise und frage, ob es Zeit für eine Tönung sei, sagt Steve, ein cool gestylter Schwarzer: »Auf gar keinen Fall!« So was will man hören. Beim Friseur jedenfalls. Ich liebe es, mit Steve über Girlies abzulästern, denen zu Hairstyling nichts Besseres einfällt als ein kleiner blonder Dutt. Ja, wie Oma ist das denn? Zack, schneidet er meinen Pony ab, ein Dreißig-Jahre-Look, sehr hübsch, noch mal diese junge frische Zahl. Aber natürlich lasse ich mich nicht täuschen. Mein Sohn, der schon seit längerem zwei Kopf größer ist als ich und natürlich auch eine Freundin hat, die einen blonden Dutt trägt, sagte schon, als die Größenverhältnisse noch umgekehrt waren: »Mama, wieso hast du so dicke Adern an den Händen?« Ja, verdammt, wieso? Würde ich auch gerne wissen.

Es ist nicht, dass ich mir keine Mühe gebe. Ich habe eine App mit einem roten Herzchen auf weißem Untergrund, die mir meldet, wie viele Schritte ich hinter mich gebracht habe, und auch noch den Wochendurchschnitt und die monatliche Schritthöchstzahl anzeigt. In Zusammenarbeit mit meinem Hund halte ich mich auf Trab. Wir schaffen die von medizinischer Seite dringlich empfohlenen 10 000 Schritte mit links und kommen gelegentlich auf 10 bis 12 Kilometer am Tag. Ich trinke in Maßen, Rotwein, schon als vorbeugende Maßnahme gegen erste Verkalkungen der Halsarterie.

Ich finde es schön, dass es so angenehme Dinge wie Rotwein gegen Altern gibt, und habe mir vorgenommen, von meinem Hauswein Palazzo Antinori aus auszuschwärmen und so einiges durchzutesten. Auch Gin soll gut sein gegen das Altern, ich folge der Queen auf Twitter, fast jeden Tag gegen 17 Uhr heißt es: Gin o’clock! Die Königin von England ist auf diese Weise 89 Jahre alt geworden, ihre Queen Mom war auch eine Gin-Expertin und brachte es auf 102 Jahre, gerne würde ich im Buckingham Palace nachfragen, ob man aus hofprotokollarischen Erwägungen stets bei Beefeater geblieben ist oder auch mal Old-Raj-Gin probiert hat, zartes Safran-Aroma und im Ausklang Koriander, Zitrone und Orange sowie gemahlene Mandel, eine geschmackvolle weiche Erinnerung an das alte Empire. Womöglich aber politisch nicht korrekt?

Als mir die erste Krampfader drohte, oberhalb des linken Knies, übrigens lange bevor Söhne ein Thema waren, habe ich jeden Morgen stramme Fitnessübungen hingelegt, selbst in diesem heißen Sommer auf den Kykladen stand ich morgens am Fenster mit Blick auf die schroff gezackte weiße Felsenküste, die seit Odysseus’ Zeiten in der Sonne liegt und offensichtlich weder nachgibt noch irgendwie schwächelt oder hässlich nachpigmentiert, und schwenkte mein Bein, vor und zurück und vor und zurück, vor, zurück, vor, zurück. Das half, bis ich vor einigen Jahren dann eben doch beim Doktor um ein Venenstripping bat. Man will sich ja am Strand noch zeigen und nicht unter einer Burka Zuflucht suchen.

Alter kann sehr hintertückisch sein. Kommt in Schüben, sagte meine Mutter. Schlägt zu, wenn niemand Böses ahnt. Ich habe Freundinnen, die vom ersten Schub erwischt wurden, als sie dreißig waren, und sich seitdem die Haare färben. Ich kenne junge Männer, die noch vor dem ersten Kind die letzten Haare verlieren. Mein Hund, Farbe Zobel (schwarzbraune Decke über fedrig goldblondem Beinbehang), hatte schon mit einem Jahr die erste weiße Strähne, dort, wo sich im Nacken die Locken so niedlich professoral wellen. Er wird jetzt auch um die Schnauze herum etwas silbrig. Meine Kollegin Uschi sagt, das mache nichts, Jugend sei bei diesem Hund Charakter und würde bestimmt nie vergehen. Das ist natürlich unser aller Hoffnung! Aber sie trügt. Man kann die Leute verwirren, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo die Karten auf dem Tisch liegen. Neulich, am International Newark Airport, New Jersey, beugte sich eine dralle Schwarze, so eine mit einem festen runden Arsch, mir entgegen und sagte: »Honey, don’t misunderstand me. You do look good!« – Tatsache sei aber, wenn ich mich für das Seniorenticket für den Manhattan Transfer entscheiden könnte, hätte ich schon 2,50 Dollar gespart, bevor ich Manhattan auch nur erreicht hätte. Dröhnendes Lachen, als wären wir bei einer Gospel-Vorführung. Was bleibt einem übrig, als betont fröhlich einzustimmen?

Vor einigen Monaten, es war schon wieder Geburtstag, ich versuchte, ihn wie immer stilvoll über die Bühne zu bringen, Crémant in der Rosé-Variante und ähnlicher...

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