Reife Leistung - Mit Sport dem Alter trotzen. Inspirierende Geschichten von Menschen über 70

Reife Leistung - Mit Sport dem Alter trotzen. Inspirierende Geschichten von Menschen über 70

von: Christoph Cöln

riva Verlag, 2020

ISBN: 9783745307528

Sprache: Deutsch

208 Seiten, Download: 3825 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Reife Leistung - Mit Sport dem Alter trotzen. Inspirierende Geschichten von Menschen über 70



Einleitung


»Ich möchte nicht durch meine Arbeit unsterblich werden. Ich möchte unsterblich werden, indem ich nicht sterbe.«

Woody Allen

Es muss Anfang der Achtzigerjahre gewesen sein. Ich war noch jung und fragte meinen Nachbarn, wie er so alt geworden sei. Der Mann war starker Raucher und mit seinem Ohrensessel verheiratet. Ich hatte ihn eigentlich immer nur vom Wohnzimmer in die Küche gehen sehen und dann wieder zurück. Mit meiner Frage konnte er nicht viel anfangen, er drehte sich erst einmal eine. Ob er denn Sport mache, setzte ich nach. Da musste er sehr lachen. »Für Sport bin ich doch schon viel zu alt«, sagte er und blies mir den Rauch ins Gesicht. Das leuchtete mir irgendwie ein. Einige Wochen später war er tot. »Das Alter«, sagte sein Sohn. Ich fragte mich, ob es gegen das Alter ein Medikament gibt. Gab es nicht. Jedenfalls kannte niemand eines.

Inzwischen gibt es eins. Und man muss nicht erst zum Mond fliegen, um es aufzuspüren; es liegt quasi auf der Straße. Es heißt Sport. Seit Jahren schon mahnen die einschlägigen Experten zu mehr Sport. Das Problem ist, die Menschen bewegen sich zu wenig. Sie sagen dann gern, dass sie für Sport zu schwer seien. Zu krank. Oder zu alt. Die Tatsache, dass in Deutschland gut 50 Prozent der Frauen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren übergewichtig sind und knapp 67 Prozent der Männer1, ist ein ernsthaftes Problem. Hinzu kommt, dass acht von zehn Menschen über 65 Jahre zu wenig aktiv sind und sich im Sinne der von der Weltgesundheitsorganisation WHO herausgegebenen Empfehlungen nicht genug bewegen (siehe dazu auch Kapitel »Balance«). Dabei könnten sie ihr Sterblichkeitsrisiko höchstwahrscheinlich erheblich senken, indem sie häufiger Sport treiben. Der Satz meines Nachbarn ist Blödsinn. Richtig ist, dass es vermutlich kaum ein besseres Lebensverlängerungsmittel gibt als Sport. Inzwischen verordnen viele Ärzte Sport sogar auf Rezept – statt teurer Medikamente. Es ist natürlich bequemer, jeden Tag fünf Pillen zu schlucken, als eine halbe Stunde Sport zu betreiben. Aber wer sagt denn, dass die Pillen auch wirken?

Ich habe während der Recherche für dieses Buch eine Menge Sport getrieben. Mit einem 73-Jährigen, der mich beim Bodybuilding versägt hat; mit einer 81-Jährigen, die mir gezeigt hat, wie man einen Golfball schlägt, ohne dabei den Rasen kaputt zuhauen; mit einem 90-Jährigen, der mich in Grund und Boden gelaufen hat. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben auf eine Skisprungschanze geklettert, habe eine Kletterwand bezwungen und einen 30 Kilo schweren Findling in eine Sandgrube gestoßen. Was man eben so macht im Alter. Und bei alldem spielte der Altersunterschied plötzlich keine Rolle mehr. Er verpuffte, und ich fragte mich, warum es zwar mittlerweile Teams aus Männern und Frauen gibt – Inklusionsteams, in denen Menschen mit und ohne Handicap spielen –, aber keine Teams aus Alten und Jungen?

Die Menschen in diesem Buch überraschten mich aber nicht nur mit ihren körperlichen Leistungen. Sie verfügten zudem noch über etwas anderes, sie waren topfit im Kopf. Auch geistig waren sie verdammt jung geblieben. Konnten komplizierte Rechenaufgaben bewältigen, erinnerten sich an die merkwürdigsten Details oder waren im Umgang mit dem Computer schneller als ich. Es gab nicht einen unter ihnen, der das nicht auch auf den Sport zurückführen wollte. Wenn ich danach fragte, was sie als Ursache für ihr stattliches Alter vermuteten, war die Antwort immer dieselbe: Sport.

Nun ist der Alterungsprozess unausweichlich, er lässt sich nicht aufhalten, höchstens verlangsamen. Höhere Lebenserwartungen sind auch nicht gleichbedeutend damit, dass das Mehr an Lebenszeit automatisch gute, gesunde Lebenszeit ist. Im Gegenteil, je länger wir leben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Allerdings lassen sich die Alterungsprozesse beeinflussen. Altern unterliegt unterschiedlichsten Faktoren, manche davon sind festgelegt, dazu zählt etwa die individuelle genetische Disposition. Andere wiederum lassen sich durchaus steuern. Zu diesen Faktoren zählen etwa die Muskelkraft, das Körpergewicht und die Ausdauer. Sie bestimmen mit über das körperliche Leistungsvermögen, und sie sind wesentlich durch den Lebensstil bedingt. Ein aktiver Lebensstil, etwa durch regelmäßiges Kraft- und Ausdauertraining, begünstigt diese Faktoren und kann zu mehr gesunder Lebenszeit führen. Inzwischen hat die Wissenschaft sogar zahlreiche Indizien dafür, dass sich auch gewisse genetische Prozesse zu einem Teil durch den Lebensstil beeinflussen lassen. Die Erforschung dieser epigenetischen Faktoren zählt zu den interessantesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Alterswissenschaft (siehe dazu auch Kapitel »Kraft«).

Zugegeben, der richtige Lebensstil zählte bis vor Kurzem nicht gerade zur allerersten Sorge der über 50-Jährigen. Inzwischen werden die Alten aber gerne mal in Gruppen sortiert und mit bräsigen Marketingbezeichnungen wie Silver Surfer, Best-Ager oder Octogenarians gebrandmarkt, um ihnen etwas anzudrehen. Nicht nur Gesundheitsministerien, Krankenkassen und Wissenschaftler propagieren einen »aktiven Lebensstil«, auch die Wirtschaft hat das Potenzial agiler Senioren entdeckt. Best-Ager sind längst zur werberelevanten Zielgruppe geworden. Wer fit ist wie ein Turnschuh, der kauft auch mehr Turnschuhe. »Och nö«, sagen sich manche vielleicht. »Muss ich nicht. Brauche ich nicht. Dankeschön.« Das ist nachvollziehbar, aber nichts anderes als Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Wer sich im Ruhestand noch ausreichend bewegt, wer ab und zu mal in ein Buch schaut und darüber hinaus weiß, wie man eine Mail verschickt, vielleicht sogar mit Signatur und Lesebestätigung, wer als 80- oder 90-Jähriger noch etwas für seine grauen Zellen und für sein Gewicht tut, zeigt damit lediglich, dass er auf ein gewisses Maß an Lebensqualität nicht komplett pfeift. Egal, wie man den Lebensstil auch nennt. Man könnte es natürlich auch so machen wie der 76-jährige Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards, der sich offenbar für gar nichts mehr geniert und kürzlich oberkörperfrei, in Jogginghose und mit einem stattlichen Whisky in der Hand, über dem Balkon eines Strandhotels hing und den Damen hinterherzischte. Aber das kann sich mit Mitte siebzig eben nicht jeder leisten. Und wollen kann das eigentlich auch keiner.

Wird man älter, so kommt man um ein paar grundsätzliche Fragen nicht herum. Ist es zufriedenstellend, im Ohrensessel zu sitzen und über dem Kreuzworträtselheft einzudösen? Oder will man vielleicht aktiv am Leben teilnehmen und noch ein bisschen Action haben? Ich wüsste die Antwort, aber für mich stellt sich die Frage nicht so bald. Wäre das Leben ein 200-Meter-Lauf, bin ich noch nicht einmal um die Kurve gekommen. Nun sollte man nicht bis zum Zapfenstreich warten, bevor man losrennt. Auch ich nehme in letzter Zeit Dinge an mir wahr, die mir vorher unbekannt waren: komische Flecken auf der Haut, kahle Stellen am Kopf, Fettpolster, die dort nicht hingehören, oder ein hartnäckiges Zwicken im Rücken. Wegen der einen oder anderen Sache bin ich zum Arzt gegangen, aber mir wurde schnell klar, dass ein Mediziner hier nicht helfen kann. Es sei denn, er hätte auch eine Approbation als Zauberer. Helfen kann ich mir nur selbst, und zwar durch Bewegung. Es hat eine Zeit gedauert, bis ich das kapiert habe, und bis aus der Erkenntnis richtiger Sport wurde, dauerte es nochmals eine Weile. Aber seitdem ich mich regelmäßig bewege, kann ich nicht mehr darauf verzichten. Ich fühle mich besser, nachdem ich Sport gemacht habe. Das ergibt ja auch Sinn: Der Mensch muss ab und zu mal raus aus seiner Höhle und einem Mammut auflauern, auch wenn er schon die Dritten hat.

Es gibt für Sport keine Altersgrenze. Den Beweis lieferte zum Beispiel der britisch-schweizerische Doppelbürger Charles Eugster. Mit fast neunzig begann der alte Herr noch mit dem Leistungssport und stellte zahlreiche Weltrekorde in der Leichtathletik auf. Eugster gab Interviews, schrieb Bücher und hielt Vorträge, in denen er vor dem Rumsitzen warnte und leidenschaftlich auf die Rente schimpfte. »Die Rente ist nicht nur finanziell eine Katastrophe, sie ist auch für den Körper ein Desaster.« Er forderte ein komplettes Umdenken, einen Paradigmenwechsel: Jeder solle so lange arbeiten und sich bewegen, wie es nur geht. Wer in der Rente ein paar Gänge runterschaltet, so Eugster, der steht praktisch schon mit einem Bein im Grab. Er warb für einen neuen Lebensstil im Alter; Sport sollte dabei die Hauptrolle spielen.

Er erzählte, wie er eines Tages vor dem Spiegel stand und bei seinem Anblick fürchterlich erschrak. Schlaff und fett sei er gewesen. Mit 87 Jahren fing er mit dem Bodybuilding an und verlor schon im ersten Trainingsjahr 12 Kilo Körpergewicht. »Ich bin absolut überzeugt davon, dass Krafttraining unerlässlich für alte Menschen ist«, sagte er. Seine Botschaft: »Die meisten älteren Leute sind körperlich in einem beklagenswerten Zustand. Sie müssen begreifen, dass ein Neustart möglich ist. Indem du deinen Körper fit machst, startest du ein neues Leben. Egal, in welchem Alter.«

Die Menschen, die ich für dieses Buch besucht habe, treiben regelmäßig Sport. Sie tun das in unterschiedlicher Intensität, die eine mehr, der andere weniger. Bei den Begegnungen mit ihnen bin ich häufig über die Frage gestolpert, was man eigentlich unter Leistungssport im Alter versteht? Der gängigen Definition nach erfordert Leistungssport ein hohes, im Idealfall tägliches Trainingspensum und die regelmäßige Teilnahme an Wettbewerben. Diese Kriterien erfüllen einige meiner Protagonisten leicht. Da ist die Triathletin,...

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