Stroke - die unbestimmbare Krankheit - Erleben von alten Menschen in der Schlaganfall-Akutphase

Stroke - die unbestimmbare Krankheit - Erleben von alten Menschen in der Schlaganfall-Akutphase

von: Elke Steudter

Hogrefe AG, 2019

ISBN: 9783456759517

Sprache: Deutsch

256 Seiten, Download: 2481 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Stroke - die unbestimmbare Krankheit - Erleben von alten Menschen in der Schlaganfall-Akutphase



1 Einleitung


Der akute, vollendete Schlaganfall ist ein plötzliches und komplexes Krankheitsereignis, das den Menschen in seiner Gesamtheit betrifft und für den fachsprachlich die englische Bezeichnung „Stroke“ verwendet wird. Meist ereilt dieser die betroffenen Patienten und Patientinnen ohne Vorankündigung und völlig unvorbereitet „aus heiterem Himmel“ (Burton, 2000, S. 305). Die gefäßbedingte Hirnerkrankung gilt als medizinischer Notfall, der eine sofortige ärztliche und pflegerische Behandlung erfordert (Jauch et al., 2013; Veltkamp et al., 2012). Gestützt auf die Leitlinien der neurologischen Fachgesellschaften wurden in den letzten Jahren veränderte Versorgungsstrategien entwickelt (Busse et al., 2013), die die Behandlungsabläufe weiter optimierten. In diesem Zuge verbesserte sich die Akutbehandlung der Betroffenen durch die Etablierung sogenannter Stroke-Units seit Mitte der 1990er Jahre deutlich (Heuschmann et al., 2010). Diese Entwicklungen, die mit deutlichen erweiterten Diagnose- und Therapieoptionen sowie einer Professionalisierung des Agierens der Health Professionals einhergingen, sind Errungenschaften der modernen Gesundheitsversorgung.

Dem zielorientierten, routinierten und vor allem raschen Handeln der Health Professionals steht dabei das subjektive Erleben der Strokebetroffenen diametral gegenüber. Vielfach markiert die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen für diese den Übergang von einer selbstbestimmten Person zum fremdbestimmten Patienten bzw. zur Patientin. Dies wird von den Betroffenen häufig als sehr belastend empfunden (Kalaitzidis, 2015; Hafsteinsdóttir & Grypdonck, 1997). Die medizinischen und pflegerisch-therapeutischen Behandlungsfortschritte dürfen daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Stroke und die unmittelbar auftretenden, nicht selten lebensbedrohlichen Veränderungen noch immer ein subjektiv erfahrbares kritisches Lebensereignis für die Betroffenen darstellen (Hager & Ziegler, 1998). Allerdings wird dieser subjektiven Perspektive in den wissenschaftlichen Diskursen nicht immer ausreichend Beachtung geschenkt (Kirkevold, 2010). Ein Grund dafür mag in den oft eingeschränkten Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeiten der Betroffenen und den begrenzten Zeitressourcen im Notfallmanagement liegen. Auch der diagnostische Auftrag der Akutversorgung und die Konzentration auf die Sicherung des Überlebens (Veltkamp et al., 2012) verhindern in der Regel, dass der Fokus in dieser Phase auf die subjektiven Erfahrungen der Patienten und Patientinnen gelegt wird. Gleichwohl sollte sich das professionelle Handeln der Health Professionals schon in der Akutphase nicht ausschließlich an den Leitlinien und Behandlungs- bzw. Pflegestandards orientieren, sondern auch an den Vorstellungen und Erfahrungen der Strokebetroffenen und ihrer Perspektive (Aadal, Angel, Dreyer, Langhorn & Blicher Pedersen, 2013).

1.1 Ziele der Untersuchung


Ziel der Untersuchung ist, individuelle Erfahrungen und Erlebnisse älterer und alter Menschen in der Akutphase eines ischämischen Stroke aufzuzeigen. Die mittels qualitativer Interviews generierten Daten und ihre alternierenden Abhängigkeiten werden als Grundlage für die Theoriebildung in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand genutzt.

Im Zentrum der Untersuchung steht der bisher – vor allem im deutschsprachigen Raum – kaum erforschte Bereich des subjektiven Erlebens und der Erfahrungen von akut vom Stroke Betroffenen. Diese Dimension wird anhand von Daten, die zu einem frühen Zeitpunkt im Krankheitsverlauf erhoben wurden, dokumentiert und analysiert. Ausgehend davon gilt es, die einzelnen Konzepte zueinander in Beziehung zu setzen und übergeordnet theoretisch zu verdichten. Die auf diese Weise theoretisch herausgearbeiteten zentralen Aspekte der Patienten- und Patientinnenerfahrung dieser Phase sollen das Verständnis für die Strokebetroffenen im Akutstadium des Stroke fördern. Darüber hinaus soll deren subjektive Perspektive – der „patient view“ (Porter, 1985, S. 175) – in einem Krankheitsstadium, in dem die Behandlung und die Prävention von Komplikationen im Vordergrund stehen, ins Zentrum gerückt und die medizinisch-pathophysiologische Sicht mit den hermeneutischen Ansätzen der Pflegewissenschaft verbunden werden. So wird es möglich, den Stroke als medizinisch-pathophysiologisch objektives und als pflegewissenschaftlich subjektives Phänomen zu begreifen (Faltermaier & Brütt, 2009).

Die Untersuchung plädiert mithin dafür, Strokebetroffene als Experten und Expertinnen ihres Krankheitserlebens wahrzunehmen und ihre Erfahrungen als Ausgangspunkt für die Pflegeentwicklung und -verbesserung zu nutzen. Die Pflegewissenschaft erhält durch die Untersuchung systematisch aufbereitete und analysierte Ergebnisse einer Phase, die bisher wenig Berücksichtigung im professionseigenen Diskurs gefunden hat, und schliesst so eine bestehende Forschungslücke in Bezug auf die pflegerische Versorgung von älteren und alten Patienten und Patientinnen mit Stroke. Auf diese Weise werden die bisherigen Kenntnisse zum Stroke in der Akutphase durch das mittels explorativer, qualitativer Pflegeforschung generierten Wissens erweitert.

1.2 Aufbau des Buches


Das Buch gliedert sich in sieben Hauptkapitel. Neben einer allgemeinen Hinführung und der Formulierung des Forschungsziels werden im einleitenden Kapitel 1 die zentralen Begriffe des gewählten Forschungsthemas dargestellt. Daran anschließend werden die theoretischen Grundlagen in Kapitel 2 dargelegt, die sich in epidemiologische, demografische und ökonomische Aspekte unterteilen. Weiter werden die beeinflussenden Faktoren der Krankheitsakutphase sowie das Setting der Stroke-Akutversorgung beschrieben. Es folgt eine Auseinandersetzung mit dem aktuellen Stand der Forschung in Bezug auf das Erleben und die Erfahrungen im Zusammenhang mit dem akuten Stroke von älteren und alten Menschen, die zeigt, in welchen wissenschaftlichen Kontext die Untersuchung einzuordnen ist.

Kapitel 3 positioniert die Untersuchung erkenntnistheoretisch und methodologisch, stellt den konzeptionellen Bezugsrahmen dieser Forschungsarbeit dar und präsentiert gesundheits- und krankheitsbezogene Aspekte, um die Ausführungen auch bezugswissenschaftlich abzustützen. Kapitel 4 beschreibt im Weiteren die methodologische Verankerung, das methodische Vorgehen und die einzelnen Schritte des Forschungsprozesses inklusive der Beschreibung der ausgewählten Patienten und Patientinnen (Sample) und ihrer Besonderheiten. Im Kapitel 5 werden die Ergebnisse in Form einer gegenstandsverankerten Theorie präsentiert. Im Anschluss werden in Kapitel 6 die Untersuchungsergebnisse diskutiert, wobei die theoretische und praktische Bedeutung der Theorie herausgearbeitet wird. Das Kapitel nimmt darüber hinaus die Limitationen der Untersuchung auf und schließt mit der Qualitätsevaluation der generierten Theorie. Im Kapitel 7 werden Empfehlungen für die Pflegewissenschaft, für die praktische Pflege von Strokebetroffenen sowie für die Lehre formuliert und ein abschließendes Fazit gezogen.

1.3 Begriffsklärungen


Der Stroke zählt übergeordnet zu den akut zerebrovaskulären Erkrankungen, die sich in der wissenschaftlichen Fachliteratur wie auch in der klinischen Praxis durch die verschiedenen Erscheinungsformen und unterschiedlichen Begrifflichkeiten sehr komplex präsentieren (Ringleb & Veltkamp et al., 2016). Die für das vorliegende Buch und die durchgeführte Forschung zentralen Konzepte des Untersuchungsgegenstandes werden im Folgenden kurz erklärt, voneinander abgegrenzt sowie im Hinblick auf die zentrale Forschungsfrage der prägenden Erfahrungen von Menschen ab 60 Jahren in der Strokeakutphase dargestellt.

1.3.1 Akute zerebrovaskuläre Erkrankungen

Akute zerebrovaskuläre Erkrankungen sind verschiedene, das zentrale Nervensystem betreffende Beeinträchtigungen, die in der Regel als plötzlich auftretendes fokal-neurologisches Defizit unterschiedlicher Intensität und Dauer erscheinen. Unter dem Oberbegriff Schlaganfall werden die transitorisch ischämische Attacke und verschiedene Formen des Stroke zusammengefasst (Hennerici et al., 2017; Ringleb & Veltkamp et al., 2016). Zur besseren Einordnung und konzeptionellen Abgrenzung...

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