Validation in Anwendung und Beispielen - Der Umgang mit verwirrten alten Menschen

Validation in Anwendung und Beispielen - Der Umgang mit verwirrten alten Menschen

von: Naomi Feil, Vicki de Klerk-Rubin

ERNST REINHARDT VERLAG, 2020

ISBN: 9783497613274

Sprache: Deutsch

308 Seiten, Download: 2022 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Validation in Anwendung und Beispielen - Der Umgang mit verwirrten alten Menschen



Vorwort von Vicki de Klerk-Rubin

Validation ist eine Methode der Kommunikation mit desorientierten sehr alten Menschen. Sie wurde von Naomi Feil entwickelt, erstmals 1967 in dem Artikel Group Therapy in a Home for the Aged (Feil 1967) formuliert und 1982 in der ersten Ausgabe von Validation Breakthrough: The Feil Method erneut veröffentlicht. Validation wurde weltweit angenommen, beginnend in Europa mit ersten Workshops 1989 in Österreich und in den Niederlanden, dann verbreitete sie sich weltweit über alle vier Kontinente, bis sie 2003 auch Japan erreichte. Feils Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt, u. a. ins Französische, Niederländische, Deutsche, Italienische, Japanische, Finnische, Dänische und Schwedische. Trotz ihrer Popularität wurde die Validationsmethode aus verschiedenen Gründen auch kritisiert. Diese Kritik war hilfreich für die Entwicklung neuer Ideen, sie trug zu Klärungen und Anpassungen bei und hat die Ausbildung in der Validationsmethode und ihre Praxis vertieft.

Die erste und vielleicht tiefgreifendste Veränderung bestand wohl darin, Validation nicht mehr Therapie, sondern Methode zu nennen. In den USA wird das Wort Therapie für beides, für Behandlungen und Methoden verwendet, während es in Europa enger definiert wird, sich nur auf medizinische Heilkunst bezieht und in manchen Fällen sogar gesetzlich geschützt ist. Diese Anforderungen aus dem europäischen Raum an die Terminologie der Validation boten die Gelegenheit, die Rolle der Validation in der gerontopsychiatrischen Pflege und Versorgung zu überdenken und ihre Ziele und Ergebnisse genauer zu definieren. Mittlerweile versteht man Validation als einen Prozess, der Vertrauen und Nähe braucht, um zu wachsen. Validationsanwenderinnen oder -anwender (VA) beginnen zu validieren, indem sie eine sichere Umgebung für die aufzubauende Beziehung schaffen. Das bedeutet, eine nicht wertende Haltung einzunehmen, um Vertrauen herzustellen, und die persönliche Realität des alten Menschen zu explorieren. Damit wird der empathische Austausch von Gefühlen möglich und die betreffende Person ermutigt, sich verbal oder nonverbal mitzuteilen. Indem wir der Person helfen, unterdrückte Emotionen auszudrücken, und sie bei der Aufarbeitung bislang unerledigt gebliebener Aufgaben aus früheren Lebensphasen „begleiten“, gewinnt sie ein Stück Selbstachtung zurück und empfindet emotionale Erleichterung. Eines der Ergebnisse von Validation ist, dass emotionaler Stress abgebaut wird, der oft der Grund für Verhaltensweisen ist, die sowohl für den Klienten oder die Klientin selbst als auch für die Betreuungskräfte belastend sind.

In der vorhergehenden Ausgabe dieses Buchs (2010) und in der zweiten überarbeiteten Ausgabe des ersten Buchs von Naomi Feil (Validation: The Feil Method; dt. Feil/de Klerk-Rubin 2010) wurde der Begriff Demenz und deren verschiedene Formen im Kontext von Validation neu gefasst und aktualisiert, um dem Wissenszuwachs über das Syndrom gerecht zu werden. Dieser Prozess erforderte intensives Nachdenken darüber, welche Personengruppe für Validation geeignet ist und wie sie definiert wird. Feil verwendet den Begriff desorientierte sehr alte Menschen (disoriented old-old), um Personen zu beschreiben, die üblicherweise als von spät einsetzender Alzheimer-Krankheit betroffen gelten. Sie greift den medizinischen Begriff auf, wählt jedoch bewusst eine sozialpsychologische Perspektive, um den Blick der Pflegenden zu verändern und auf eine empathischere Haltung zu richten. Sie hat es damit geschafft, die Gestalt der Pflege für diese Personengruppe positiv zu verändern.

Dass Maslows Theorie der menschlichen Grundbedürfnisse in der Validationstheorie zunehmend Raum einnimmt, ist das Ergebnis praktischer Erfahrungen. Anfangs reduzierte Feil die Anzahl menschlicher Grundbedürfnisse auf drei: Liebe, Identität und das Bedürfnis, Gefühle auszudrücken. Während diese Kategorisierung das Erlernen von Validation erleichterte, verkomplizierte sie die praktische Arbeit der VAs: Sie konnten die stark vereinfachte Theorie nicht auf die komplexen Gefühlswelten ihrer realen Klientel übertragen. Durch die Anerkennung der Tatsache, dass individuelle Verhaltensweisen verschiedene Erklärungen haben können, konnte die Methode der Validation realitätsnäher und leichter zugänglich gemacht werden.

Kritik an Feils Verwendung der Begriffe und Gedanken von Freud hat dazu geführt, dass wir inzwischen besser verstehen, wie desorientierte alte Menschen Symbole benutzen. Auch die wachsende Zahl der anekdotischen, von VAs zusammengetragenen Fallbeispiele hat zu die-ser Entwicklung beigetragen. In diesem Bereich ist die Validations-theo­rie nicht verändert, sondern erweitert worden. Die erste Definition von Symbolen war missverständlich und nicht spezifisch genug, um für alle Symbole zu gelten, denen wir bei der Arbeit mit sehr alten desorientierten Menschen begegnen. Die aktuelle Definition umfasst Personen, Objekte und in manchen Fällen auch sich wiederholende Bewegungen, die Personen und Objekte aus der individuellen Lebensgeschichte repräsentieren, aber auch Konzepte wie Identität, Liebe und Sicherheit.

Feil hat immer gesagt: „Zuerst kam die Methode, dann die Theorie.“ Die Kritik an der Validation konzentrierte sich häufig entweder auf ihre fehlende wissenschaftliche Basis oder auf ihre Vermischung von Teilen anderer Theorien. Auch in diesen Punkten hat die Überarbeitung ihrer beiden Publikationen zur Klärung der Prinzipien, Werte und theoretischen Grundlagen geführt und zur Vereinheitlichung der in der Validationsausbildung verwendeten Terminologie beigetragen. Arbeiten, die Feil beeinflussten, werden als theoretische Basis ausgewiesen; etwa wenn sie Erik Erikson zitiert mit: „Jedes Lebensalter hat eine ganz bestimmte Aufgabe, die wir in der dafür vorgesehenen Zeit erfüllen müssen. Eine nicht abgeschlossene Lebensaufgabe meldet sich später erneut.“ Auch C. G. Jung gehört zu Feils Inspirationsquellen: „Unterdrückte Emotionen werden intensiver.“ Auf diesen theoretischen Annahmen beruhen die Validationsprinzipien. Die Prinzipien der Validation sind die konkreten Ausführungen der theoretischen Annahmen; sie sind die theoretische Perspektive hinter der Validationspraxis; sie sind anwendungsbezogen und lassen sich an den Klientinnen und Klienten beobachten. Zum Beispiel: „Sehr alte desorientierte Menschen befinden sich im letzten Stadium ihres Lebens und versuchen nun, am Ende ihres Lebens, unerledigte Lebensaufgaben, Krisen oder andere Angelegenheiten zu lösen“ und „schmerzhafte Gefühle werden schwächer, wenn sie ausgedrückt, gehört, akzeptiert und von einer vertrauenswürdigen Person validiert werden“. Die Valida­tionstheorie nennt nun die essentiellen Werte, um das Handeln und Verhalten der Fachkraft – die sogenannte validierende Haltung – zu beschreiben: die Person nicht bewerten oder verurteilen, jeden Menschen individuell explorieren, alle emotionalen Äußerungen akzeptieren und empathisch sein (die Gefühle mit dem anderen teilen).

Validation als Methode ist nicht unveränderlich. Sie entwickelt sich im Laufe der Zeit weiter, indem sie auf aktuelle Studien, Kritik und Erfahrungen aus der Praxis reagiert. Im Jahr 2019 setzte sich unser Team der lehrenden Validations-Master mit den Anmerkungen zu den Bezeichnungen für die vier Phasen der Aufarbeitung auseinander: „Mangelhafte Orientierung ist zu negativ.“ „Vegetieren klingt unmenschlich.“ „Die Begriffe werden als Label verwendet.“

Nach eingehender Diskussion haben wir beschlossen, die Bezeichnungen so zu ändern, dass sie mehr beschreibend und weniger wertend sind. Wir haben uns darauf konzentriert, wie Menschen miteinander kommunizieren, darauf, dass der Grad der Orientierung die Tagesform wiedergibt, und auf charakteristische Verhaltensweisen, die die Bedürfnisse und Gefühle des Einzelnen in den Mittelpunkt stellen.

Wir hoffen, dass diese grundlegende Überarbeitung dazu beiträgt, dass alle, die Validation lernen, ältere Menschen nicht mit einem Etikett versehen, sondern sich stattdessen darauf konzentrieren, mit ihnen zu kommunizieren und Beziehungen aufzubauen.

Validation ist eine „Sprache“, die alle Menschen in allen Ländern und Kulturen verstehen. Um diesen Punkt zu unterstreichen, enthält diese neueste Ausgabe eine Sammlung von Fallgeschichten, u. a. aus Deutschland, Italien und Japan, die Validationsanwenderinnen autorisierter Validationsorganisationen zusammengetragen haben. Jede dieser Geschichten offenbart die universelle Macht der Validation, wenn es darum geht, mit einem alten desorientierten und verwirrten Menschen in Beziehung zu treten. Sie sind vielen Kapiteln angefügt und ergänzen die zahlreichen Beispiele im Text. Fachkräfte können sie nutzen, um ihr Wissen zu mehren und ihre eigene Anwendung der Validationsmethode zu verfeinern.

Das Jahr 1963 war die Geburtsstunde der Validation; seither hat sie sich entwickelt, ist reifer und komplexer geworden. Sie hat sich den Kritiken gestellt, mit Selbstreflexion reagiert und sich in vielen Fällen zum Besseren verändert. Die Veränderung geschah langsam...

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