Intergenerative Pädagogik in Kindertagesstätten

Intergenerative Pädagogik in Kindertagesstätten

von: Silke Hubrig

Beltz Juventa, 2024

ISBN: 9783779980797

Sprache: Deutsch

125 Seiten, Download: 285 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Intergenerative Pädagogik in Kindertagesstätten



2.Wissenswertes vorab: Was bedeutet Intergenerative Pädagogik?


Der Begriff „intergenerativ“ meint generationsübergreifend. Unter intergenerativer Pädagogik in der Kita wird eine Pädagogik verstanden, die Begegnungen zwischen den Kindern und Bewohner:innen ermöglicht und fördert. Die Generationen sollen sich kennenlernen, ein Verständnis füreinander entwickeln – und damit die gesellschaftliche Kluft zwischen den Genrationen verringern. Sowohl Kinder, als auch Senior:innen sollen von dem Kennenlernen der anderen Lebenswelt profitieren können.

2.1Welchen Kontakt haben Kinder und alte Menschen heutzutage?


Vor einigen Jahren war der Austausch der Generationen noch alltäglicher als heute. Insbesondere in ländlichen Gegenden wohnten Kinder mit den Großeltern in einem Haus zusammen. Die unterschiedlichen Generationen hatten im Alltag mehr Berührungspunkte.

Heute sind junge Kinder und alte Menschen oftmals in speziellen Einrichtungen, wie Kita und Seniorenheim. Der Kontakt hat sich verändert. Enkel und Großeltern wohnen öfter in unterschiedlichen Städten oder auch in ganz anderen Ländern. Insbesondere Migrant:innen haben ihre Großeltern oftmals in einem anderen Land.

Nichtsdestotrotz wohnen aber auch noch immer viele Enkel in der Nähe der Großeltern. Lediglich jedes fünfte Kind in Deutschland wohnt mehr als eine Stunde Fahrzeit von seinen Großeltern entfernt (vgl. Gerlitz 2019). Jedes zweite Kind, das noch nicht in der Schule ist, wird zusätzlich zu Krippe und Kita auch von den Großeltern betreut (vgl. dpa-infocom 2020).

2.2Weshalb intergenerative Pädagogik in der Kita sinnvoll ist


Nicht alle Kinder haben Großeltern – und nicht als Senior:innen haben Enkelkinder. Und falls sie diese doch haben, so ist der Kontakt nicht immer selbstverständlich und nicht alltäglich. Die Zusammenarbeit zwischen Kita und Einrichtungen für Senior:innen oder Altenpflegeeinrichtungen können die Lebenswelten der Generationen miteinander verbinden. Pädagogische Fachkräfte aus Kita und Altenpflegeeinrichtungen können Räume und Situationen für Begegnungen und Aktivitäten schaffen, die den Kindern und Bewohner:innen entsprechen.

Kinder lernen Menschen kennen, die in ihren Fähigkeiten teilweise eingeschränkt sind. So lernen sie beispielsweise, dass ein älterer Mensch oft schlechter hört als ein jüngerer Mensch und deshalb eine lautere Ansprache benötigt. Sie erleben, dass Bewegungen langsamer vonstattengehen und ein älterer Mensch somit möglicherweise mehr Zeit benötigt, um eine Wegstrecke zurückzulegen oder von einem Stuhl auf einen anderen zu wechseln. Dennoch können Kinder viel von Älteren lernen, etwa den Bewohner:innen eines Seniorenheimes – beispielsweise Lieder, Reime oder Geschichten. Schließlich gibt es in jeder Kultur Lieder und kleine Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Der regelmäßige Kontakt zu alten Menschen zeigt den Kindern, dass Altwerden und Altsein zum Leben gehören. So können Hemmschwellen gegenüber alten Menschen abgebaut werden, etwa, wenn sie körperliche Besonderheiten aufweisen (z. B. Skoliose).

Der Kontakt kann Berührungsängste abbauen und den Kindern ein Gefühl für altersspezifische Veränderungen, wie etwa Hörgeräte, eine Gehhilfe oder Haarausfall, vermitteln. So können Kinder lernen, Rücksicht zu nehmen, ebenso wie Verantwortungsbewusstsein, Hilfsbereitschaft und Höflichkeit. Im Gegenzug erhalten sie Anerkennung für ihr Wirken. So freuen sich beispielsweise die alten Menschen und klatschen im Takt der Musik, wenn die Kinder bei einem Besuch im Pflegeheim für sie tanzen. Sie fühlen sich gesehen und wertgeschätzt. Zusätzlich sorgt der oft langsamere Ablauf zu einer angenehmen Entschleunigung im oftmals stressigen Kinderalltag zwischen Kita und Freizeitterminen.

Viele dieser Aspekte gelten auch für ältere Menschen: Auch sie fühlen sich gesehen und wertgeschätzt. Sie lernen die Lebenswelt der Kinder kennen und nehmen die Spontanität, Lebensfreude und Neugierde der Kinder auf. Sie können ihre Erfahrung und ihr Wissen an Kinder weitergeben, z. B. durch Erzählungen oder das Vorlesen eines Buches. Durch gemeinsame Aktivitäten mit den Kindern, trainieren die älteren Menschen ihre eigenen Fähigkeiten. Vielleicht entdecken sie dabei auch Kindliches wieder. Zudem haben sie Abwechslung in ihrem Alltag. Gerade für Menschen, die wenig oder keinen Besuch bekommen in der Alteneinrichtung, ist der Kontakt zu Menschen außerhalb der Einrichtung wichtig. Kinder bringen „frischen Wind“ ins Haus und neue Themen. Ältere Menschen werden von Kindern möglicherweise einmal ganz anders wahrgenommen und behandelt. So ist beispielsweise ein Kind ganz beeindruckt von der schönen, alten, weichen Haut und streichelt eine Seniorin immer wieder über den Handrücken.

Kinder regen ältere Menschen dazu an, sich schnell auf neue Situationen einzustellen. Sie werden aufgefordert, sich ungewöhnliche Fragen zu stellen, wie etwa „Warum haben Hunde eigentlich vier Beine ?“ Das hält auch geistig fit. Auch mit zeitgemäßen Erziehungsfragen können sich ältere Menschen auseinandersetzen, wenn sie mit Kindern zu tun haben, etwa:

  • „Wieso müssen Kinder nicht alles aufessen, was auf dem Teller liegt ? Das hätte es bei uns als Kind nicht gegeben.“

  • „Wieso ist das Schlagen heutzutage verboten ? Im Notfall kann es auch mal helfen, oder ?“

Um ein hohes Maß an Gesundheit zu erhalten, gehören insbesondere eine ausgewogene Ernährung, moderate Bewegung, geistiges Gefordertwerden und soziale Kontakte bzw. die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. All diese Faktoren werden durch die regelmäßigen Begegnungen und Aktivitäten mit Kindern unterstützt. Nicht zu unterschätzen ist dabei die Lebensfreude, die von den Kindern ausgeht und der geistigen Gesundheit guttut.

2.3Vorurteile gegenüber alten Menschen


Gesellschaftlich wird Altwerden bzw. Altsein allzu oft negativ bewertet. Bezeichnungen wie „Alte Schachtel“ oder „Alte Hexe“ sind zumeist despektierlich gemeint. Altsein wird mit körperlichem und geistigem Verfall in Verbindung gebracht. Untersuchungen zeigten, dass das Wort „alt“ unwillentlich negative Assoziationen bei Menschen in der bundesrepublikanischen Gesellschaft hervorruft, selbst bei alten Menschen (vgl. www.bpb.de). Mittlerweile spricht man aufgrund der negativen Stereotype, Vorurteile und damit auch Handlungsweisen gegenüber alten Menschen von Altersdiskriminierung („Ageism“). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in einem Bericht über Altersdiskriminierung verdeutlicht, dass die Diskriminierung, Kritik und Verachtung gegenüber alten Menschen stetig zunimmt (vgl. http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122176/WHO-Jeder-zweite-Erwachsene-voreingenommen-gegen-aeltere-Menschen). Leider werden die Stärken, die Lebenserfahrungen und das im Leben angeeignete Wissen älterer Menschen gesellschaftlich sehr wenig beachtet und wertgeschätzt.

Impulsfragen

  • Welche Gedanken verbinden Sie mit „Altsein“?

  • Mit welchen alten Menschen hatten Sie in Ihrer Kindheit zu tun? Beschreiben Sie Ihre Erinnerungen an diese Beziehungen.

  • Mit welchen alten Menschen haben Sie gegenwärtig zu tun? Beschreiben Sie die Beziehungen.

  • Welche Stärken fallen Ihnen insbesondere bei alten Menschen auf?

  • Was konnten Sie in Ihrem Leben bisher insbesondere von alten Menschen lernen? Welche ...

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