FRIDA - Frühintervention für Menschen mit demenzieller Entwicklung und deren Angehörige - Behandlungsmanual für eine dyadische Gruppentherapie

FRIDA - Frühintervention für Menschen mit demenzieller Entwicklung und deren Angehörige - Behandlungsmanual für eine dyadische Gruppentherapie

von: Alexandra Wuttke, Armin Scheurich, Katharina Geschke, Andreas Fellgiebel

medhochzwei Verlag, 2024

ISBN: 9783862169689

Sprache: Deutsch

150 Seiten, Download: 1761 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Mehr zum Inhalt

FRIDA - Frühintervention für Menschen mit demenzieller Entwicklung und deren Angehörige - Behandlungsmanual für eine dyadische Gruppentherapie



2 FRIDA – Das Gruppenprogramm in der Anwendung


Alexandra Wuttke, Armin Scheurich, Katharina Geschke, Andreas Fellgiebel

2.1 Ziel des Gruppenprogramms


Ziel des in dem vorliegenden Manual beschriebenen Gruppenprogramms ist es, durch eine dyadische Frühintervention das Bewusstsein für die Herausforderungen der Menschen mit demenzieller Entwicklung und ihrer Familien zu wecken und sie darin zu unterstützen, besser mit den demenzbedingten Veränderungen umzugehen. Gerade da zu einem frühen Zeitpunkt nach der Diagnosestellung noch viele wichtige Weichenstellungen für die Krankheitsverarbeitung, Lebensgestaltung und Pflegeplanung möglich sind, wird dieses psychotherapeutische Gruppenprogramm angeboten. Den Dyaden wird praktisch aufgezeigt, dass es möglich ist, trotz der Gedächtnisprobleme am Leben aktiv teilzunehmen und sich so möglichst lange eine hohe Lebensqualität zu erhalten. Inhaltlich ist der Ansatz ressourcenorientiert, d. h. er baut auf den vorhandenen Stärken und Möglichkeiten jedes Einzelnen auf.

Das Gruppenprogramm verfolgt dabei konkrete Ziele, welche zunächst erläutert werden:

  • Die Menschen mit demenzieller Entwicklung und ihre Angehörigen werden schonend und professionell über demenzielle Erkrankungen aufgeklärt.
  • Das Gruppenprogramm stellt eine Möglichkeit dar, Gespräche zur Krankheitsverarbeitung zu führen und zu fördern.
  • Im Rahmen des Gruppenprogramms wird ein kognitives Trainingsprogramm eingeführt und im Verlauf der Sitzung monitoriert.
  • Die Menschen mit demenzieller Entwicklung und ihre Angehörigen werden zur Aufrechterhaltung positiver Aktivitäten angehalten.
  • Die Beziehung zwischen den Menschen mit demenzieller Entwicklung und ihren Angehörigen wird geschützt und möglichst lange aktiv aufrechterhalten.
  • Der Umgang mit Gedächtnisproblemen wird geübt und entkatastrophisiert.
  • Die Menschen mit demenzieller Entwicklung und ihre Angehörigen werden in die Pflegeplanung bei Fortschreiten der Demenz eingeführt.

2.2 Wirkfaktoren des Gruppenprogramms


Neben den allgemeinen Wirkfaktoren von Gruppenpsychotherapie bestehen in dieser Gruppe zusätzlich demenzspezifische Faktoren. Die allgemeinen Wirkfaktoren von Gruppenpsychotherapie umfassen nach Yalom (2007) elf unspezifische Elemente, u. a. Universalität des Leidens, Mitteilung von Informationen, Techniken des mitmenschlichen Umganges, nachahmendes Verhalten, interpersonales Lernen und Gruppenkohäsion. Hier wird der interpersonale Fokus bereits deutlich, der vor allem für die Begleitung von Menschen mit demenzieller Entwicklung und deren Angehörigen wichtig ist. Das hier beschriebene Manual legt zusätzlich weitere Schwerpunkte auf Psychoedukation, Aktivitätenaufbau, Kommunikationstraining und kognitive Stimulation oder kognitives Training. Wie in Kapitel 1 beschrieben sind diese Inhalte empirisch gut begründet, entfalten anti-depressive Wirkungen und eine Stressreduktion bei allen Beteiligten und stellen somit die zentralen, demenzspezifischen Wirkfaktoren des Gruppenprogramms dar.

2.3 Rahmen, Setting und Indikation des Gruppenprogramms


Um die o. g. Ziele zu erreichen, werden als Behandlungsgruppe Menschen mit einer demenziellen Entwicklung und deren primäre Bezugspersonen/Angehörige, z. B. Partnerinnen und Partner, empfohlen. Denkbar ist aber auch die Teilnahme eines Kindes oder anderer enger Vertrauter.

Es ist zweitrangig, ob eine leichte kognitive Beeinträchtigung oder ein leichtgradiges demenzielles Syndrom vorliegt, ob eine neurodegenerative Erkrankung wie Alzheimer- und Lewy-Körperchen-Krankheit oder eine vaskuläre Demenz die Ursache sind. Wichtig ist, dass die Diagnose einer demenziellen Entwicklung gesichert ist. Demnach bieten sich Patientinnen und Patienten einer Gedächtnisambulanz bzw. -sprechstunde an.

Definition: Demenzielle Entwicklung

In diesem Manual wird bewusst der Begriff der demenziellen Entwicklung verwendet. Er steht sowohl für leichte kognitive Beeinträchtigungen, die nach Durchführung einer Differentialdiagnostik ursächlich auf eine demenzielle Erkrankung zurückgeführt wurden und somit prognostisch progredient sind (Prodromalstadium), als auch leichtgradige demenzielle Syndrome bei neurodegenerativen und vaskulären Erkrankungen, bei denen die kognitiven Defizite bereits eine Alltagsrelevanz haben.

Eine eindeutige und sichere Diagnose ist jedoch unbedingte Voraussetzung zur Teilnahme an diesem Gruppenprogramm, da sich auch zahlreiche andere Erkrankungen wie eine demenzielle Erkrankung im Frühstadium äußern können, die jedoch anders behandelbar sind, z. B. Depressionen, Schilddrüsenerkrankungen, Flüssigkeitsmangel und Nebenwirkungen bestimmter Medikamente.

Die folgenden Punkte sollten auf die Gruppenteilnehmenden zutreffen:

  • Diagnostisch gesicherte spezifische Diagnose einer demenziellen Entwicklung (s. Kasten)
  • Angehörige mit enger Beziehung zum Menschen mit demenzieller Entwicklung und häufigen Kontakten im Alltag (idealerweise Lebenspartnerinnen und -partner)
  • Motivation zur Teilnahme
  • Funktionale Fähigkeit zur Teilnahme (kognitiv und emotional; ein Richtwert hierfür kann ein MMST >23 Punkte sein)

Um passende Teilnehmende für die Frühintervention auszuwählen, ist es ratsam, mit interessierten Dyaden ein Vorgespräch zu führen. Ein Gesprächsleitfaden mit wichtigen Informationen zum Gruppenprogramm und möglichen Fragen für den Erstkontakt findet sich unter Kapitel 2.9 Materialien. In diesem Vorgespräch wird die Eignung (v. a. hinsichtlich der Motivation und funktionalen Fähigkeit) für die Gruppe geklärt. Ferner sollte bei der Auswahl der Dyaden auf eine Balance zwischen Heterogenität und Homogenität geachtet werden, sodass die Gruppenteilnehmenden nicht zu verschieden, aber auch nicht zu ähnlich sind. In diesem Vorgespräch erhalten die Teilnehmenden auch einen Überblick über die Themen des Gruppenprogramms (s. Kapitel 2.9 Materialien – Ablaufplan) und eine zusammenfassende Information, warum eine Frühintervention sinnvoll und hilfreich sein kann (s. Kapitel 2.9 Materialien – Hintergrund des Gruppenprogramms).

Die Gruppenleitung sollte kontinuierlich die Gruppe begleiten. Sie kann aus einer oder zwei Personen bestehen. Der Vorteil einer Person besteht darin, dass Vertrauen zu einer Person kontinuierlich aufgebaut wird und alle Themen gemeinsam besprochen werden. Psychologinnen und Psychologen oder Psychotherapeutinnen und -therapeuten sind besonders geeignet, die Gruppe zu leiten, da die Intervention viele kognitiv-verhaltenstherapeutische Elemente enthält. Dabei sind Erfahrungen bezüglich demenzsensibler Umgangsweisen und altersspezifischer psychotherapeutischer Ansätze sowie neuropsychologische Grundkenntnisse empfehlenswert.

Die Erweiterung auf psychologisch-geschulte anderweitige Berufe, welche eine hohe Demenzsensibilität aufweisen, ist denkbar (z. B. Pflegefachkräfte, Sozialarbeitende, Ärztinnen und Ärzte, Ergotherapeutinnen und -therapeuten). In diesem Fall kann es hilfreich sein, die Gruppe durch Psychologinnen, Psychologen, Psychotherapeutinnen oder -therapeuten supervidieren zu lassen. Unabhängig vom Erfahrungshintergrund der Gruppenleitung sollte diese in einem multiprofessionellen Team unterstützt werden, so dass themenweise Ärztinnen bzw. Ärzte, Neuropsychologinnen bzw. Neuropsychologen, Sozialarbeitende oder Logopädinnen bzw. Logopäden zu der Gruppe dazukommen können und/oder die Gruppenleitung bei konkreten Fragen unterstützen können.

Sobald ca. 4-6 Dyaden zur Teilnahme gefunden sind, wird das Gruppenprogramm immer 14-tägig für 90 Minuten über 12 Sitzungen begonnen. Bestenfalls werden die Termine bereits im Vorgespräch mit den Gruppenteilnehmenden abgestimmt.

Jede Sitzung beginnt immer mit einer psychomotorischen Übung zur Aktivierung (s. Kapitel 3), gefolgt von einer Übungseinheit kognitiver Stimulation oder kognitives Training (s. Kapitel 4). Danach erfolgt ein Informationsblock zu dem jeweiligen Sitzungsthema (s. Kapitel 5). Im Anschluss wird eine Intervention zu diesem Thema durchgeführt (z. B. Rollenspiel, moderierter Erfahrungsaustausch).

Folgende Themen werden in der Gruppe besprochen (s. Tab. 1): Alter und Altern, kognitive Stimulation und kognitives Training, demenzielle Entwicklung und Behandlung, Vorsorge- und Unterstützungsmöglichkeiten, Umgang mit der demenziellen Entwicklung, Selbstfürsorge, Kommunikation, Wohnen und technische Hilfsmittel, Sprache und Ernährung, Musik und Demenz.

Die in der nachfolgenden Tabelle beschriebene Reihenfolge wird von uns empfohlen, kann aber auch verändert werden (z. B. aufgrund der Verfügbarkeit anderer Berufsgruppen). Zudem können auch Inhalte aus einer Sitzung in einer späteren Sitzung aufgegriffen oder vorgezogen werden. Hier sollte die Gruppenleitung stets auf eine Passung zu den Bedürfnissen der Gruppe achten.

In diesem Kontext ist es erwähnenswert, dass sich die Sitzung Sprache und Ernährung von den anderen Sitzungen unterscheidet. Dies bezieht sich vor allem darauf, dass ein Teil der Sitzung Schlucken und Schluckstörungen thematisiert, die allerdings erst im späteren Verlauf einer demenziellen Entwicklung relevant werden. Da die Kenntnis hierüber aber wenig verbreitet ist und präventives Wissen an dieser Stelle essenziell für eine gute Begleitung und Betreuung zentral ist, wird hierauf bereits im Rahmen der Frühintervention eingegangen. Gleichzeitig obliegt es der Gruppenleitung zu...

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