Autonomie trotz Multimorbidität - Ressourcen für Selbstständigkeit und Selbstbestimmung im Alter

Autonomie trotz Multimorbidität - Ressourcen für Selbstständigkeit und Selbstbestimmung im Alter

von: Adelheid Kuhlmey, Clemens Tesch-Römer

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2012

ISBN: 9783840922961

Sprache: Deutsch

227 Seiten, Download: 1965 KB

 
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Autonomie trotz Multimorbidität - Ressourcen für Selbstständigkeit und Selbstbestimmung im Alter



Zusammenhang macht aus sozialer Unterstützung eine Ressource für subjektives Wohlbefinden im Kontext von stressreichen Situationen. Vor dem jeweiligen theoretischen Hintergrund ergeben sich für die Betrachtung von Ressourcen neben den Wirkweisen auch Unterschiede der Betrachtungsebenen.

Beispielsweise schlagen Lazarus und Folkman (1984) auf der Ebene der einzelnen Person im Rahmen der psychologischen Stressforschung vor, zwischen Ressourcen, die den Eigenschaften eines Individuums zugeschrieben werden (intrapersonale Ressourcen), und Ressourcen, die Bestandteile der Umwelt sind (extrapersonale Ressourcen), zu unterscheiden. Eine andere Sichtweise auf Ressourcen findet sich z. B. bei Hobfoll (1989), dessen Theorie der Ressourcenkonservierung davon ausgeht, dass Ressourcen interindividuell zum einen ungleich verteilt, aber zum anderen auch unterschiedlich konstruiert werden. Seine Theorie postuliert, dass der drohende oder reale Verlust von Ressourcen zu Stresserleben führt, und dass umgekehrt Stress dadurch abgebaut oder verhindert werden kann, indem der individuelle Ressourcenbegriff weiter oder anders gefasst wird. Für die systematische Untersuchung von Ressourcen allerdings ist die Theorie vor allem deswegen interessant, weil Hobfoll eine psychologische Klassifikation von Ressourcen in „Objekte“ (z. B. Auto, Treppenlift), „Bedingungen“ (z. B. funktionierende Ehe, soziale Position in einer Gruppe), „persönliche Eigenschaften“ (z. B. Selbstwirksamkeit, Hoffnung) und „Energien“ (z. B. Wissen, Geld) vornimmt. Solche Klassifikationsansätze finden sich auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen: In der sozialraumanalytischen Perspektive soziologischer Stadtforschung werden sozialräumliche Ressourcen betrachtet (Riege & Schubert, 2005). Der Soziologe Bourdieu spricht anstatt von Ressourcen von Kapital, wobei er ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital unterscheidet (Bourdieu, 1983). Die Bourdieusche Sichtweise konzentriert sich damit auf milieuspezifische Kapitalausstattungen von Individuen und hebt auf soziale Positionen und Lebensstile ab. In der Weiterführung dieses Ansatzes rückt zunehmend aber auch die Bedeutung kollektiv verfügbarer Ressourcen in den Blick, so z. B. in den theoretischen Überlegungen und empirischen Studien Carpianos (2006, 2007) zur Bedeutung des in Nachbarschaften vorhandenen kollektiven sozialen Kapitals für die Gesundheit der Quartiersbewohner oder zu den Folgen der materiellen Ausstattung von Wohnquartieren (Bernard et al., 2007; Dunn & Cummins, 2007; van Lenthe, 2008).

Ressourcen können also nur vor dem Hintergrund einer bestimmten Theorie konzipiert und operationalisiert werden, denn nur durch diesen Hintergrund wird ein bestimmter Faktor in einem Wirkgefüge eine Ressource im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel. Ressourcen können zudem auf verschiedenen Ebenen angeordnet sein, und sowohl auf Individuen als auch auf Gruppen von Individuen einwirken.

4 Danksagung

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Forschungsverbundes „Autonomie trotz Multimorbidität im Alter“ (AMA) bedanken sich beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die dreijährige Förderung und beim Projektträger Deutsches Zentrum für Luftund Raumfahrt (DLR) für die stete Unterstützung und Begleitung der Projektarbeit. Alle Verbundmitarbeiterinnen und -mitarbeiter fühlen sich darüber hinaus dem wissenschaftlichen Beirat des Forschungsverbundes für seine konstruktive Begleitung verbunden. Die hier vorgestellten Ergebnisse wären nicht zustande gekommen ohne die alten Frauen und Männer, die als Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer bereit waren, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen. Der Kontakt zu den Probandinnen und Probanden lief über eine Vielzahl von Einrichtungen des Gesundheitswesens, in denen wir Mitstreiter für die wissenschaftlichen Projekte fanden. Ihnen allen gilt unser besonderer Dank.

Literatur
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